Dieser Artikel wurde in Auszügen vom Author in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung am 21.7.11 publiziert http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/10832
Anlässlich seines geplanten Auftritts in Bayreuth setzt sich Roberto Paternostro mit dem problematischen Verhältnis von Richard Wagners berühmt-berüchtigtem Antisemitismus und dem Brückenschlag zwischen
israelischen Musikern und deutscher Kultur auseinander.
Paternostro übernahm 2009 die künstlerische Leitung des 1965 gegründeten Israel Chamber Orchestra und reiht sich lückenlos in eine Liste namhafter Künstler wie Luciano Berio, Rudolf Barshai, Shlomo Mintz und Philippe Entremont ein.
Im Anschluss an seine Studienzeit bei Hans Svarowsky in Wien, und später bei György Ligeti und Christoph von Dohnayi in Hamburg, wurde er 1978 Assistent von Herbert von Karajan.
Paternostros Ruf begründen neben diversen internationalen symphonischen Aufführungen vor allem seine vielbeachteten Neuproduktionen von Opernwerken Wagners, sowie Werken von Verdi, Puccini und Strauss.
Seine häufigen Auftritte mit Jugendorchestern und Nachwuchskünstlern schaffen eine besondere Publikumsnähe, und zahlreiche Fernsehübertragungen seiner Auftritte vermitteln das besondere Flair des Wiener Dirigenten. Sein Gespür für interessante Projekte und ganz besondere künstlerische Herausforderungen hat ihm ebenfalls viel Anerkennung beschert.
Von seinem erfolgreichen amerikanischen Debut am 5.Juni in Cincinnati zurückgekehrt, bereitet sich Paternostro nun auf das bevorstehende Gastspiel des Israel Chamber Orchestra in Bayreuth vor.
Israel Chamber Orchestra
Auf dem Programm stehen neben der Musik Wagners auch Werke von Franz Liszt, Gustav Mahler, Felix Mendelssohn Bartholdy sowie des zeitgenössischen israelischen Komponisten Tzvi Avni.
Das für den 26. Juli 2011 in der Stadthalle Bayreuth angesetzte Konzert des Israel Chamber Orchestra ist Teil der Veranstaltungsreihe „Lust auf Liszt“, mit der Bayreuth den 200. Geburtstag des berühmten Sohns der Stadt Bayreuth würdigt.
Die Richard-Wagner-Festspiele am Grünen Hügel beginnen am Vorabend des Konzertes und dauern bis zum 28. August 2011.
Fragen an Roberto Paternostro:
Roberto Paternostro
Ilona Oltuski: Majestro Paternostro, wie kam es zu dem Konzert in Bayreuth?
Roberto Paternostro:
Ich liebe und dirigiere die Musik Wagners seit vielen Jahren, und ebenso bin ich Israel sehr verbunden. Nicht nur beruflich durch meine Arbeit als Dirigent, sondern auch persönlich – viele meiner Verwandten leben in Israel. Als ich die Position des Chefdirigenten in Tel Aviv antrat, war es mein Bestreben, beides irgendwie miteinander zu verbinden. Ich war mir klar darüber, dass es nach wie vor sehr schwer ist, in Israel Wagner zu spielen. Aber ich wollte einen Weg finden, das Eis zu brechen.
Ilona Oltuski:Auf Bayreuther Seite scheint es vor allem Katharina Wagner zu sein, die eine erfrischende weltoffene Haltung zeigt …
Roberto Paternostro:
Ja… und Ich kannte Katharina Wagner wie auch ihren Vater schon seit Längerem. Es war ein glücklicher Zufall, dass ihre neuen offenen Ideen für Bayreuth mit meinem Plan zusammenfielen. Ich habe mit ihr darüber gesprochen, und sie war sofort von der Idee angetan und als Schirmherrin des Konzertes hat sie mich sehr unterstüzt. Die Veranstaltung des Konzertes übernimmt die Stadt Bayreuth, und auch von dieser Seite haben wir unglaublich viel Unterstützung bekommen.
Ilona Oltuski: Was bewog Sie, allem Widerstand zum Trotz, Ihrer Entscheidung für ein Bayreuth-Konzert treu zu bleiben?
Roberto Paternostro:
Noch vor meiner Entscheidung für das Konzert habe ich in vielen Gesprächen mit Musikern in Israel Neugier und Offenheit gespürt, sich auch mit dieser Musik zu beschäftigen. Ich muss sagen, dass es vor Allem eine künstlerische Entscheidung war, das [Konzert] zu machen. Ich bin kein Politiker.
Und ich muss nochmals sehr klar sagen, dass ich die Vorbehalte der Menschen verstehe, die dagegen sind. Ich möchte niemanden verletzen und habe mit meiner Familie, die selbst viele Opfer der Shoa zu beklagen hat, das auch besprochen. Wir zwingen niemanden, die Musik zu hören. Und es war natürlich auch den Musikern des Orchesters freigestellt zu fahren und zu spielen. Aber alle werden fahren …
Ich bin mit einer Diskussion sehr einverstanden, aber nicht, um damit politisches Kleingeld zu machen, wie jüngst geschehen.
Völlig unabhängig von mir hat sich in Israel der erste Wagner-Verein gegründet. Auch das ist ein sehr interessanter Schritt.
Ilona Oltuski:Leistet der Auftritt des Israel Chamber Orchestra in Bayreuth Ihrer Meinung nach einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung?
Roberto Paternostro:
Das ist eine sehr schwierige Frage. Das Verhältnis Israel-Deutschland ist doch sehr gut. Man muss nicht weiter ausführen, welcher Austausch hier in allen Bereichen herrscht. Ich denke aber, dass diese Vergangenheit in einem Aufeinanderzugehen bewältigt werden kann und alles getan werden muss, damit Auschwitz – Birkenau NIE wieder möglich sein wird. Vielleicht kann die Musik etwas dazu beitragen.
Ilona Oltuski:Wie sehen Sie den Stellenwert des Auftritts aus rein künstlerischer Perspektive?
Roberto Paternostro:
Über den Stellenwert Wagners Musik zu sprechen ist überflüssig. Er ist aber in Israel für manche zu einem Symbol geworden. Für alles Schreckliche, das man damit – zu Recht oder auch nicht – mit diesem Symbol verbindet.
Es gab Komponisten, die zu Lebzeiten Hitlers sehr aktiv in Deutschland waren, z.B Orff oder Lehar; da gibt es kein Problem.
Richard Strauss ist ein ganz eigener Fall. Er hatte eine jüdische Schwiegertochter, die ich auch persönlich kannte, und er hat sich sehr vom Nazismus distanziert.
Ich habe sehr grossen Wert darauf gelegt, in unserem Bayreuther Konzert einen zeitgenössichen israelischen Komponisten, sowie Mahler und Mendelssohn zu spielen.
Also, von unserer Seite ist es ein musikalische Freude, das zu machen.
Ilona Oltuski:Kann man oder sollte man den Musiker Wagner vom Antisemiten Wagner trennen oder trennen dürfen?
Roberto Paternostro:
Ja,denn ein Stück wie das sehr zarte und sanfte “Siegfried Idyll”, das wir spielen werden – ist das antisemitisch?
Ilona Oltuski: Was liesse sich zu Wagners Schrift, „Das Judentum in der Musik” aus heutiger Sicht sagen?
Roberto Paternostro:
Schrecklich. Und ich kann nicht verstehen, dass es dieser Mann, aus welchen Gründen auch immer, nötig gehabt hat, so eine Sache zu schreiben. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Ilona Oltuski:Maestro Paternostro, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Roberto Paternostro
Vielleicht kann man gegen eine antisemitische Schrift wie diese nur mit jüdischer Präsenz im Musikbetrieb angehen – eine Position, die der ebenfalls auf dem Bayreuther Programm vertretene israelische Komponist Tzvi Avni vertritt.
Und vielleicht sollte man hoffen, dass künstlerischem Talent – in diesem Falle Wagners Genie – ein freier Wirkungsbereich gewährt wird, der unabhängig von der Person des Künstlers beurteilt und genossen werden darf.
Der unlängst angekündigten Freigabe des in Familienbesitz befindlichen Wagner-Archives durch Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier kommt im Kontext dieser lange überfälligen Diskussion eine wichtige Rolle zu.
Comments