Wie viele andere traditionelle klassische Musisikkomponisten in der Musikgeschichte komponiert Lowell Liebermann nicht nur – er tritt auch auf. Er beschränkt sich nicht nur darauf, seine eigenen Kompositionen zu spielen, er widmet auch einen Teil seiner Zeit anderen Komponisten.
Meiner Meinung nach beinflusst das Liebermanns Einstellung gegenüber dem Komponieren und veranschaulicht seinen engen Bezug zu klassischer Musik insgesamt.
“Ich verstehe was Pianisten durchmachen, also bringe ich ihnen viel Sympathie entgegen und so wird der Austausch mit dem Darbieter (meiner Kompositionen) viel einfacher und gewinnt an Bedeutung. Aufgrund des Schwergewichtes, was in Amerika auf Spezialisierung gelegt wird, haben wir unglücklicherweise eine Situation geschaffen, in der Komponisten nicht selber aktive Auftrittskünstler sind. Ich denke, dass das Resultat oft ein Verlust der physischen Freude ist und der direkten Anteilnahme am Prozess des Auftretens,” meint Liebermann. “Die meisten Auftrittskünstler meiner Premieren haben bei einem Auftritt den höchsten Standards entsprochen, aber ich schreibe nicht für einen spezifischen Künstler, denn sonst würde es auf keinen anderen passen.”
Die angesehene Violinistin und Viola-Spielerin, Ida Kavafian, die ein Mitglied des Klavierquartetts Opus One ist und als künstlerische Leiterin des ‘Angel Fire’ Festivals in New Mexico fungiert hat, sagt über Liebermann: “Herr Liebermann ist nicht nur ein außergewöhnlicher Komponist, sondern auch ein hervorragender Pianist. Es war wunderbar mit ihm seine Musik in Gruppen und in unserem Klavierquartett Opus One zu spielen. Diesen Sommer haben wir beim Angel Fire {Festival} sein “Quartett für Piano und Steichinstrumente” [“Quartet for piano and Strings”], Opus 114 (2010) uraufgeführt; mein Festival hatte im Rahmen seines Gastaufenthalts eine Auftragsarbeit seiner Wahl an ihn vergeben…”
Im Jahre 2007 widmete John Bloomfield einen Vortrag für das jährliche Golandsky Summer Institute an der Princeton University der Komposition für Solo Klavier namens “Drei Impovisationen” Opus 68 [“Three Impromptus” Op. 68] (2000) von Lowell Liebermann. Geschrieben zum 100 jährigen Jubiläum der Yaddo Künstlerkolonie in Saratoga Springs wurde das Stück von Stephen Hough am 4. Mai 2000 in der New York’s Alice Tully Hall uraufgeführt. Als Grand Prize Gewinner des ersten ”Internationalen Van Cliburn Komponisten Wettbewerb,” zu dem eingeladen wird, wurde es von der Theodore Presser Company veröffentlicht.
John Bloomfield meint: “Mit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts suchten Komponisten nach Wegen, den Tonumfang der Klangfülle zu erweitern, die Instrumente hervorbringen konnten. Während zum Beispiel George Crumb manchmal den Pianisten auf dem Klavier klimpern oder die Saiten im Klavier zupfen lässt, bleibt Liebermann den Tasten verhaftet, aber benutzt die vollständige Bandbreite des Klaviers, von der tiefsten bis zu höchtsen Note auf der Tastatur. Bei diesen extremen Registern geht es darum, dramatische Klänge und Klangstrukturen zu schaffen. …Indem er absichtlich den Klang durch Pedalbewegungen verwischen lässt, schafft er eine Ambiguität zwischen Bereichen der Klarheit ebenso wie Bereiche von harmonischem Verwischen, was alles zum gesammten zur gesamten Klangstruktur des Stückes beiträgt.”
Es war der Pianist Sandro Russo, der mich im Oktober 2007 eingeladen hatte, an der Louis Meisel Gallery in Sohos Prince Street eine Darbietung von Liebermanns Arbeiten anzuhören. Gelegentlich stellen die Meisels ihr Zuhause, das einen spezifisch unkoventionellen Charakter hat, sowie ihre Gallerie zur Verfügung und veranstalten Konzerte von jungen Künstlern. An diesem Abend spielte Russso Liebermanns “5. Nocturne,” ein Stück, das von Adele Marcus in Auftrag gegeben worden war und 1997 uraufgeführt wurde.
Schnabel-Protégée Adele Marcus, selber eine Auftrittskünstlerin und Klavierleherin an der Juilliard School, hat wie Liebermann am 22. February Geburtstag; die zwei lernten sich während der zwei Jahre kennen, die er an der Julliard School studierte.
Liebermanns ausgiebigen Studien beinhalteten Klavierstudien mit Jacob Lateiner, Komposition – Klassen mit David Diamond und Vincent Persichetti und Unterricht im Dirigieren von Lazlo Halasz. Im Jahre 1987 beendete er sein Studium im ‘Music Arts Program’ von Juilliard mit einem Bachelor-, einem Master und einem Doktorabschluss. Liebermann sagt, dass er sich glücklich schätzt, von Beginn an mit Julliards unglaublichem Anzahl von Talenten in Verbindung zu stehen, schließlich wurden einige von Amerikas talentiertesten Musiker hier trainiert oder haben hier unterrichtet, einschließlich Andrew Litton, Stephen Hough, und Jeffrey Biegel.
Biegel erinnert sich gerne daran, wie Liebermann manchmal an die Tür zum Übungsraum anklopfte und ihn fragen würde, ein neues Stück durchzuspielen. Liebermann und Biegel haben Jahre später durch die Auftragsarbeit für Liebermanns drittes Concerto wieder zusammengefunden.
“Es ist sicherlich ein überzeugendes Stück, mit viel Energie und einigen sehr schönen Momenten. Die Lyrik ist tief bewegend und sehr einzigartig, während die Klavierpassagen ein ausgezeichnetes Klavierspielen erfordern. Man kann spüren, dass die Inspiration von Brahms, Shostakovich, Prokofiev und Barber kommt, und dennoch ist Liebermanns musikalische Sprache seine ganz eigene und sie gibt dem Zuhörer jegliches Gefühl und jegliche Emotion, die nötig sind, um seine Musik zu erfahren und zu genießen,” sagt Biegel.
Als er von dem Prozess spricht, ein Stück zu komponieren, erläutert Liebermann: “Wenn man ein Orchesterstück schreibt, hört man im Kopf den Klang; In anderen Fällen stellt man sich ein spezifisches Instrumentensolo vor. Ich versuche, mich so sehr wie möglich in die Einzelheiten des Stückes hineinzuversetzen und so einen Überblick über alles zu bekommen, was ich über ein spezifischen Instrument lernen kann. Außer Klavier spiele ich nicht wirklich ein anderes Instrument, obwohl ich momentan gerade Cello lerne.” sagt Liebermann.
Der in London ansässige Stephen Hough ist auch ein Juilliard Absolvent; er studierte Seite an Seite mit Liebermann und die beiden Musiker blieben miteinander in Kontakt.
“Ich habe über die Jahre viele von Liebermanns Stücken gespielt,” sagt Hough. “zwei seiner Sonaten und das zweite Concerto sind mir persönlich gewidmet. …Ich habe immer gefunden, dass sich alles an seiner Musik natürlich war, rein musikalisch gesehen wie auch was das Klavier betrifft. … Er ist ein Musiker von außerordentlicher Intelligenz und Sensibilität, und ein sehr geschätzter Freund.”
Stephen Hough wird in der New Yorker Carnegie Hall am 18. November auftreten, wenn er Murray Periaha vertritt, der aufgrund einer Handverletzung seinen Auftritt auf der Perleman Bühne des Stern Auditoriums absagen musste. Nachdem er Liebermann kennengelernt hatte, wurde Russo ein von Liebermanns Arbeiten. Die 8. Nocturne (Opus 85) wurde von ihm in Europa im Jahre 2004, seine 10. Nocturne (Opus 88) im Jahre 2007 und seine vier Etüden von Brahms Liedern (Opus 88) bei einem Klavierabend der Pro-Mozart Gesellschaft [‘Pro-Mozart Society’] in Atlanta im Jahre 2009 uraufgeführt. Er nahm ebenfalls Liebermanns Werke für seine 2010 “Piano Recital” CD auf.
Russo meint: “Ich schätze diese Arbeiten sehr wegen ihrer Perfektion und der Rafinesse der Klavierkomposition und weil sie gleichzeitig eine geistige Fortsetzung von solch romantischen Meistern wie Liszt, Rachmaninow und Faure darstellen. … Seine Nocturne Reihe kann sich ohne Zweifel zu den goßen Meisterwerken von Chopin und Faure hinzugesellen. Meiner Meinung nach versteht Lowell sehr gut die Körperlichkeit des Intrumentes; in der Tat, seine Kompositionen hören sich großartig unter seinen Händen an.”
Umgekehrt schätzt Liebermann Russo als “einen Pianisten der Pianisten und als einen Musiker der Musiker, dem keine technische Schwierigkeit zu herausfordernd ist und dessen Interpretationen eine einzigartige und fundierte Kunstfertigkeit offenbaren.”
Sandro Russo mit Pianist Stephen Hough
Photo: Ilona Oltuski
Also, wieder einmal zeigt der internationale Kreis der Auftrittskünstler seine lokalen Wurzeln sowie die verbindenden Fäden, die aus persönlichen Begegnungen gewebt wurden. Da ansonsten Auftragsarbeiten und Abgabetermine den Alltag eines Komponisten bestimmen, macht einem dieses menschliche Element Mut.
Cellist Steven Isserlis, der auch Liebermann’s Kompositionen vertritt sagt: Lowell Liebermann ist ein wunderbar talentierter Komponist, mit einer echten melodischen Begabung und einer grossartigen Verbindung zu den Musikern und zum Publikum, die selten ist. Ich genoss die wunderbare Zusammenarbeit während der Proben fur die Sonate, die er für mich und Stephen Hough schrieb – und es ist auch persönlich sehr lustig mit ihm zusammen zu sein.
Zu meiner Überraschung ist Liebermann gerne bereit, auf die positiven Seiten seines Lebens zwischen diesen zwei Polen hinzuweisen: “Ich werde von Auftragsarbeiten und Abgabeterminen inspiriert,” erklärt er.
Das Komponieren ist ein ein schwerer und manchmal schmerzhafter Prozess, da man konstant etwas aus dem Nichts kreiert, und man versucht eine Art Logik oder abstrakte Moralität hervorzubringen, die – obwohl sie auf abstrakten Regeln aufbaut – auf der Suche nach unausweichlichen Lösungen ist. Man wird tausendmal von jedem kleinen Detail heimgesucht. Wenn ich zwölf Monate habe, werde ich in elf davon grübeln, also Abgabetermine gebieten zumindest Einhalt.
Abschließend stellt er fest: “Ich versuche gar nicht erst herauszufinden, was mein Platz innerhalb der Musikgeschichte ist. Das überlasse ich anderen. Mein Interesse ist es, Musik zu schreiben, die ich, wenn ich im Publikum säße, auch gern hören würde.”
Beurteilt man ihn entsprechend seiner kreativen Leistung, dann ist Liebermanns Platz in der Musikgeschichte bereits sicher.
Meine Liebe zur Musik enstand durch die Einwirkung der großen westlichen klassischen Tradition auf mich. Das ist ein kontinuierlicher Zusammenhang, von dem ich ein Teil sein wollte. Es gab ein Klischee über moderne Musik, dass diese immer mit der Tradition zu brechen habe, was ich als eine Art marxistische Perspektive betrachte. Ich sehe vielmehr ein ununterbrochenes Anknüpfen an die Tradition, in der ich einen Zusammenhang finden kann, dessen Teil ich sein möchte. Es ist nicht mein Ziel Innovationen zu bringen, sondern Bedingungen zu schaffen, die zu etwas führen können – nicht auf berechenbare Weise, aber trotzdem unausweichlich. Bis es vollendet ist – im Guten wie im Schlechten, – halte ich nicht an, um Feedback zu bekommen.”
Er hebt hervor, dass das Verlangen das zu machen, was er am besten kann, ihm als beste Inspiration dient: “Man schreibt nicht Musik, weil man es will, sondern weil man es muss. Bei Kunst geht es um das Überschreiten der gesetzten Grenzen, ob bei der Malerei, wenn die Beschränkungen des Gemäldes überschritten werden oder beim Spielen des Klaviers mit seiner 84 Tasten Tastatur. Es geht darum eine Landschaft zu schaffen, in der man sich verlieren kann,
“Beim Komponieren geht es um eine Reise, bei der es darauf ankommt, eine bessere, alternative Welt zu schaffen.” Die Höhepunkte von Lowell Liebermanns derzeitiger Saison sind die ersten Aufführungen seiner dritten Symphonie, die im Rahmen des Magnum Opus Projektes vom “Komponistentreff” [“Meet the Composer”] für die Orchester Nashville und Marin in Virginia in Auftrag gegebn wurde; JoAnn Faletta dirigierte die Weltpremiere mit dem Virginia Symphony Orchestra im November 2010.
Andere Auftragsarbeiten beinhalten ein Werk zum 50, Jubiläum der Amerikanischen Harfen Gesellschaft [‘American Harp Society’], ein Klaviertio für Trio Solisti, von den ‘Arizona Friends of Chamber Music’ in Auftrag gegeben, und ein Klavierquartett, das von Musik vom ‘Angel Fire’ {Festival} für die Gruppe ‘Opus One’ in Auftrag gegeben wurde. Weitere Informationen finden sie unter
http://www.parkerartists.com/NewPages/liebermann.html oder unter http://www.lowellliebermann.com
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