Wir hörten von Musikern, die Antworten auf Fragen bekamen, die sie nie gestellt hatten, und die doch grundlegend für deren Wohlbefinden und Sicherheit am Instrument waren, und wir erfuhren von verletzten Instrumentalisten, die ihre Karriere wieder aufnehmen konnten, nachdem die Arbeit mit der Taubman-Lehre zu Genesung und Schmerzfreiheit geführt hatte.
Ich schätze die Möglichkeit, Dorothy Taubmans Arbeit durch meine Artikel in diesem Format erstmalig präsentieren zu können und somit ein Forum für den Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu schaffen. Leserbeiträge und Feedback sind mir ungemein wichtig, denn sie bilden den Kern der faszinierenden und engagierenden Interaktion, die die Blogsphäre zu bieten hat.
Teil 3 der Serie: Musikerziehung und die Taubman-Lehre
Als ich Dorothy Taubman im Sommer 2009 traf, sprach sie über ihre Motivation für die Erkundung der Geheimnisse dessen, was am Klavier vor sich geht. Wie sie mir sagte, musste sie einfach eine Lösung für diejenigen unter ihren zumeist sehr talentierten Studenten finden, deren Probleme am Klavier sie daran hinderten, ihr Potential voll auszuschöpfen.
Je nach Dauer und Intensität des absolvierten Studiums haben einige von Dorothy Taubmans ehemaligen Studenten deren Arbeit in den eigenen Klavierunterricht integriert und wenden Taubmans Prinzipien in unterschiedlichem Masse und auf verschiedenen Kompetenzebenen an.
Ein Beispiel dafür ist das im Jahre 2003 von Maria del Pico Taylor, Sondra Tammam, Father Paul Maillet und Eleanor Hancock gegründete “Dorothy Taubman Seminar”. Dieses Seminar hat es sich zum Ziel gesetzt, an der Temple University in Philadelphia eine praxisorientierte Ausbildung sowie Meisterklassen mit Dorothy Taubman anzubieten.
Andere wieder integrierten Elemente von Taubmans Arbeit ohne speziell darauf hinzuweisen. Das generelle Interesse an Techniken der Körperwahrnehmung, wie z.B. der Alexander-Technik oder der Feldenkrais-Methode, hat außerdem zu diversen Initiativen geführt, die Taubmans Erkenntnisse mit anderen Disziplinen verbinden, und auf diese Weise innovative Symbiosen entwickelt haben.
In Bezug auf die Alexander-Technik, die ich selbst anwende und die ich äußerst faszinierend finde, stimme ich meiner Alexander-Lehrerin Monika Gross zu, die diese Technik als komplementär zur Lehre von Dorothy Taubman versteht. ”Bei der Alexander-Technik geht es darum, Bewusstsein für ein grundlegendes physiologisches Koordinationsprinzip zu schaffen. Dieses Bewusstsein dient dann als ideale Grundlage für koordinierte Aktivität am Klavier im Sinne der Taubman-Lehre”, meint Gross.
Die Alexander-Technik-Expertin und Klavierlehrerin Renee Jackson beschäftigt sich schon seit 18 Jahren mit der Taubman-Lehre. Die Golandsky-Studentin, die auch mit Mary Moran arbeitet, hat folgendes zum Thema zu sagen: “Alexanders Erkenntnisse können die Veränderung aller Arten von Gewohnheiten enorm beeinflussen. Die kleinen, sehr spezifischen Bewegungen der Taubman-Lehre lassen sich oft sehr viel leichter unter Anwendung von Alexanders ‘Konzept der Inhibition’ alter Bewegungsabläufe kombinieren.
Feldenkrais-Spezialist und Lehrer Eli Wader, der 12 Jahre lang bei Moshe Feldenkrais studiert hat, und der seit Jahren in Israel und der Schweiz unterrichtet, arbeitet ebenfalls mit professionellen Musikern. Ihm zufolge verbessert sich die Ausdruckskraft und Anmut der Darbietung eines Musikers nach einer Feldenkrais-Session erheblich. In den letzten Jahren gab es viele Ansätze für einen Ideenaustausch zwischen diesen einzigartigen und doch verwandten Disziplinen.
Insbesondere die Website (wellbalancedpianist.com) der ehemaligen Golandsky-Studentin und Taubman-Institut-Lehrerin Dr. Theresa Dybvig zeichnet sich durch ihre Informationen über die unterschiedlichen Richtungen dieser interdisziplinären Arbeit aus.
Im Jahre 2003 trennten sich die Wege der beiden Frauen dann, und Edna Golandsky gründete zusammen mit den ehemaligen Taubman-Institut-Fakutätsmitgliedern John Bloomfield, Robert Durso und Mary Moran das Golandsky-Institut. Fakultätsleiter und Senior Director John Bloomfield erklärt den Prozess, der zum heutigen Institut führte: “Das Golandsky-Institut ist eine Weiterentwicklung des ehemaligen Taubman-Instituts. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand der Konsens, dass die Taubman-Lehre nur dann eine Überlebenschance und Raum für weiteres Wachstum haben würde, wenn sie von qualifizierten Lehrern weitergereicht werden könnte. Lange Diskussionen zwischen den Gründern führten zu einem vielseitigen Ansatz und einem Curriculum, das umfangreiche Anforderungen in allen Bereichen der pädagogisch begleiteten Unterrichtspraxis sowie Performance stellte.
Edna Golandsky betont, dass eine klare Diagnose von Problemen, gefolgt von zügiger Implementierung potentieller Lösungen nach wie vor das Herzstück des Prozesses bildet, und dass die Lehrer in der Lage sein müssen, die verschiedenen Komponenten der Lehre in eine zielgerichtete Struktur zu integrieren. Deshalb wird jeder Lehrer bei uns individuell betreut, indem er seine oder ihre Studenten zu einem der Lehrer bringt, die konsistent gute Ergebnisse erzielt haben. Die Anwendung der Taubman-Lehre ist sehr individuell und zeitaufwendig, aber der Erfolg unseres Betreuungsprogramms gibt uns recht. Wir sehen immer wieder, dass die meisten Lehrer ihre eigenen pädagogischen Fähigkeiten durch das richtige Input einer erfahrenen Lehrkraft auf ein sehr viel höheres Niveau bringen können. Die Studenten lernen dann schneller und gründlicher als vorher.”
Die mehrmals im Jahr in New York und Philadelphia stattfindenden Lehrerseminare bilden einen der Grundpfeiler des Betreuungssystems. “Taubman-Lehrer hören nie auf, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln”, meint John Bloomfield abschließend.
Jeden Sommer bietet das Golandsky-Institut an der Universität von Princeton ein einwöchiges und sehr intensives Sommer-Symposium an. Das umfangreiche Kursangebot ist auf verschiedene Kenntnisstufen zugeschnitten, und vertieft das Studium der Taubman-Lehre. Während dieses Symposiums beschäftigt das Golandsky-Institut derzeit 13 Lehrkräfte – 11 zertifizierte Assistenten und Lehrkräfte, und 10 zusätzliche Teilnehmer aus dem professionellen Ausbildungsprogramm des Instituts.
Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Sommersymposium in Princeton. Gene Hollinger, ein älterer Herr, auf dessen subtile Klangfarbe am Klavier ich in meiner Amateur-Klaviergruppe aufmerksam geworden war, hatte mich dazu eingeladen, damit ich einmal selbst sehen konnte, was sein Verständnis für die Kunst des Klavierspielens für immer grundlegend verändert hatte.
Ein Streben nach Exzellenz ging Hand in Hand mit sozialer Interaktion, und schuf eine sehr persönliche und unvergessliche Atmosphäre.
Zweifelsohne war es etwas ganz Besonderes, dass ich mich eine ganze Woche lang auf nichts anderes als auf das Klavierspiel konzentrieren konnte. Was mich an diesem Sommer-Symposium jedoch am tiefsten beeindruckte war die Intensität, mit der die Taubman-Lehre demonstriert wurde.
Seminare für Anfänger und Fortgeschrittene dienten der Grundlagenvermittlung. Die Vorlesungen konzentrierten sich auf spezifische Details, die dann – je nach Level – in Gruppen vertieft wurden.
Fakultätsleiter Robert Durso bot eines der lebendigsten Seminare an. Er faszinierte die Teilnehmer seiner Gruppe mit einer erstaunlich präzisen Bedarfsanalyse eines jeden Studenten und gab sein Wissen mit viel Humor und Einsicht in die menschliche Natur weiter.
Die Lehrassistenten des Instituts folgten genauen Anweisungen der Lehrer und unterstützten die Seminarteilnehmer, während diese sich im Gelernten übten; weitere Fragen wurden in Privatstunden geklärt.
Die Meisterklassen boten jedoch das Material, worauf alle gewartet hatten: inspirierende Praxisbeispiele, die aufzeigten, wie die einzelnen technischen Elemente im Kontext der Musik ineinander übergingen.
Es war schon wunderbar, diese großartige Lernerfahrung mit Studenten aus den gesamten USA, Kanada und Europa, Asien und dem Pazifischen Raum zu teilen.
Über Nacht habe ich die Methode übrigens nicht ‘kapiert’. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich in meiner ersten Unterrichtsstunde mit dem wundervollen Konzertpianisten und Golandsky-Institut-Lehrer Ilya Itin in Tränen ausgebrochen bin. Was ich mir von meiner ersten Session mit diesem hoch-talentierten Pianisten der ‘Russischen Schule” erwartet hatte, weiß ich nicht mehr genau. Die Taubman-Lehre war damals völlig neu für mich, und vielleicht hatte ich ja darauf gehofft, dass sie mir auf der Stelle magische Kunstfertigkeit am Klavier verleihen würde. Dabei konnten wir lediglich daran arbeiten, meine Hand frei fallen zu lassen, um Anspannung zu eliminieren. Aber substanzielle Veränderungen passieren nun mal nicht im Quick Fix-Verfahren.
Bestimmt trocknete ich meine Tränen und entschloss mich, meine Erkundung der Taubman-Lehre fortzusetzen – dies nicht zuletzt dank Itins Versicherung, dass dieser Prozess nicht nur seine ganz eigene Zeit braucht (und die ist, je nach Student, nicht immer dieselbe), sondern auch leidenschaftliches Engagement.
Inzwischen hat Mary Moran ein Buch über die Taubman-Lehre für Anfänger veröffentlicht; zukünftige Generationen werden es somit einfacher haben.
Jeder Lehrer und jede Lehrerin hat seinen/ihren ganz persönlichen Stil, aber alle sind und waren, was ihre Arbeit angeht, sehr leidenschaftlich, und gaben Informationen großzügig weiter.
Was sämtliche Fakultätsmitglieder trotz unterschiedlicher professioneller Karrieren ebenfalls gemeinsam haben, ist das hohe Ansehen, das sie als Musiker genießen, und eine rigorose Ausbildung in der Taubman-Lehre. Viele der Lehrkräfte unterrichten auch an anderen Institutionen, geben Privatstunden, und treten regelmäßig auf.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich seit meiner ersten Begegnung mit der Taubman-Lehre wesentliche Fortschritte machen konnte, und schätze meine Arbeit mit Edna Golandsky, die es mir erlaubt, diesen faszinierenden Prozess und dessen außerordentliches Potential weiter zu verfolgen.
Letztes Jahr wurden die Prinzipien der Taubman-Lehre erstmals auch auf andere Instrumente angewendet. Dank der Initiative der britischen Violinistin Sophie Till, Leiterin der Streicher-Abteilung an der Marywood Universität und Direktorin des Marywood String Project, kamen Instrumente wie Violine, Viola und Cello zum Einsatz.
Sophie Till nimmt zur Zeit an der Lehrerausbildung des Golandsky-Instituts teil, und hat unter der Anleitung von Edna Golandsky die Taubman-Lehre für Streicher aller Fertigkeitsstufen entwickelt – ein weiterer Beweis dafür, dass die Taubman-Lehre auf alle Sparten von Musikern und Instrumente anwendbar ist.
Das im Jahre 2005 vom Golandsky-Institut veröffentlichte erste 3-DVD-ROM- Set der Discovery Series unter dem Titel “The Art of Rhythmic Expression” ist ein Beispiel für das ständige Bestreben um Konzepterweiterung.
Das Set beinhaltet eine Zusammenstellung von Vorlesungen des Princeton Sommer-Symposiums 2004, und konzentriert sich auf die Anwendung der Taubman-Lehre in Bezug auf die musikalische Grundstruktur der Rhythmik.
Er sagt: “Edna Golandsky beschäftigt sich mit der Frage, wie man das rhythmische Gefühl und die rhythmische Komplexität, die den Kern der Kunst des Jazz bilden, auf die Tastatur umsetzen kann. Die Realisierung musikalischer Intentionen mit Hilfe effizientester Bewegungen ist in der Tat die grösste Leistung der Taubman-Lehre.
Unter Benutzung klassischen Repertoires zeigt Golandsky, wie rhythmische Vitalität, musikalischer Fluss und Swing durch Klangformung und Klangproduktion sowie Betonung der Takte erreicht werden kann. Sie beweist, dass physikalische Bewegungen mit rhythmischem Aufbau in Beziehung stehen. Dass diese Informationen für Jazzpianisten von Bedeutung sind, versteht sich von selbst.”
Abschließend meint Glasson: “Golandsky eröffnet der Entwicklung rhythmischen Klavierspiels eine neue Perspektive und führt ihre Erkundungen eines neuen Paradigma in der Pädagogik des Klavierspiels weiter.”
Bill Charlap, einer der besten Piano-Interpreten von Jazz Standards, ist in der Vergangenheit als Gast des Golandsky-Instituts aufgetreten.
“Die Taubman-Lehre sollte weltweit gelehrt werden. Sie sollte von Anfang an Teil eines jeden Unterrichtsprogramms sein, damit Pianisten ihr volles Potential entwickeln können. Die Lehre erleichtert das Klavierspiel ungemein. Bevor ich Edna kennen lernte, musste ich immer ‘Warm-up’-Übungen absolvieren. Jetzt kann ich mich ganz einfach ans Klavier setzen und loslegen; mir wird weder unbehaglich dabei, noch werde ich müde. Selbst wenn ich nicht am Klavier sitze – komme ich zurück ans Klavier, kann ich gleich weiter spielen. Ich verstehe jetzt, wie ich Klangfarben ausdrücken kann – egal, ob melodisch oder perkussiv, oder in der Tonpalette in der Mitte zwischen diesen beiden Polen angesiedelt. Ich bin auch ein sehr viel besserer Zuhörer geworden; ich kann inzwischen einem Klavierstimmer dabei helfen, die verschiedenen Klaviere, auf denen ich spiele, besser zu stimmen. Die Gleichmäßigkeit der Klaviertasten und ihres Klanges sind mir sehr bewusst.”
Abschließend meint Perez: “Edna Golandskys Arbeit mit der Taubman-Lehre hat es mir erlaubt, als Musiker zu reflektieren und zu lernen. Sie hat mein Bewusstsein für die Feinheiten und die Schönheit der Klangproduktion geschärft.”
Publikationen des Golandsky-Instituts: The Art of Rhythmic Expression: Lectures and Master Classes, präsentiert von Edna Golandsky. DVD-Set. The Golandsky Institute 2004 Summer Symposium at Princeton University.
The Art of Concert Preparation: Lectures and Master Classes, durchgeführt von Edna Golandsky, unter Mitarbeit von Ilya Itin und Danilo Perez. DVD-Set. From the 2005 Golandsky Institute Summer Symposium at Princeton University. The Forgotten Lines: Lectures präsentiert von Edna Golandsky. DVD-Set. The Golandsky Institute 2006 Summer Symposium at Princeton University. DVD-Set Beginning Piano Lessons in the Taubman Approach: Book I – Basic Alignment and Rotation. Mary Moran, herausgegeben von Edna Golandsky.
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