Der Antrieb neue Verbindungn durch Musik zu bewirken mag in der Familie liegen, aber Elena Bashkirova, die mit Daniel Barenboim verheiratet ist, hat es als Gründerin und künstlerische Leiterin des Jerusalem International Chamber Music Festivals selbst geschafft, in der internationalen Kultur-Musikszene Akzente zu setzen.
“Ich hatte nie vor, Direktorin zu werden, es passierte rein zufällig“ sagt die dynamische Pianistin über ihr inspirierendes Vorhaben, das – für zwei Wochen jeden September – internationale und lokale Musiker durch eine intensive Zusammenarbeit vereint, die seit seiner Gründung im Jahre 1998 im Zentrum des YMCA Kultur Zentrums in Jerusalem steht.
Nach ihrer Rückkehr nach Hause in Berlin im Anschluss an das diesjährige Festival in Jerusalem, tauscht Bashkirova einige Gedanken über die Motivation ihrer Bemühungen aus: “Wie Sie wissen, ist Jerusalem eine Art Wiege aller Kulturen – aber es blutet aus! Wir hatten diese recht intensive Unterhaltung mit einigen Journalisten und Freunden, als Daniel und ich ein IPO-Konzert [Israel Philharmonic Orchestra] in Jerusalem besuchten, wo viele wunderbare Solisten – Itzhak Perlman, Misha Maisky und Yefim Bronfman – auftraten. Während der Pause debattierten wir darüber, wie durch die wachsende Kluft und Isolierung die Kulturlandschaft der Stadt großen Schaden nimmt und dass – was nichts Neues ist – mehr und mehr Leute Jerusalem verlassen und dass etwas für diese besondere Öffentlichkeit getan werden sollte.”
“Und dann,” fährt sie fort, “fragte ich spontan, ob ich auf die richtige Unterstützung zählen könnte – und dafür sind viele Freunde im Musikgeschäft nötig, wenn sich eine Gelegenheit auftun würde.” Sie erkennt: “Für diese international bekannten Künstler geht es nicht um Auftritte, die die Karriere ausbauen und sicherlich nicht um die Einnahmen, sondern um ein Zurückgeben – und alle wollten, dass ich etwas dafür tun sollte. Bevor ich Daniel kennenlernte, hatte ich nie in Jerusalem gewohnt oder auch nur davon geträumt, hier mehr Zeit zu verbringen, aber Daniels Liebe für Jerusalem war eine Inspiration, er machte auch mir dieses schöne Land wichtig und bewusst.” Die enthusiastische Resonanz auf ihre Anfragen war überwältigend und ihre Stimme strahlt ein bisschen: “Innerhalb einer Woche hatte ich eine lange Liste von Musikern beisammen.” Zuerst fanden die Auftritte im kleineren Khan Theater statt und dann im vollständig ausgereiftem Stadium, nahme das Festival die größere Konzerthalle des YMCA Gebäudes in Anspruch.
Bis zum heutigen Tag hat das Festival die beitragenden Auftretenden nie bezahlt – keinem geht es ums Geld. Neben der Begleichung der Reisekosten der Künstler sorgt das Festival als Gastgeber für die Musiker im benachbarten Mishkenot Sha’ananim, dem Jerusalem Music Center und bietet gemeinsame Abendessen an einer sehr langen Gemeinschaftstafel. Diese spezielle künstlerische Kooperation, die familiäre Atmosphäre und die Freude am Auftreten vor einem leidenschaftlich ergebenem und wissbegierigem Publikum wie auch das Beitragen zur Jerusalemer Künstlerszene ist es, was die Künstler an diesem Festival anzieht und es von anderen unterscheidet. “Und dann gibt es natürlich den Schneeballeffekt,” sagt Bashkirova, “die gleichen Leute sorgen dafür, dass noch mehr kommen.”
Die Anziehungskraft verläuft in zwei Richtungen. Für die jüngeren Künstler, ist es eine Chance, zusammen mit hervorragenden, weltbekannten Auftrittskünstlern zu spielen, aber es gibt auch den bekannteren Künstlern die Gelegenheit junge Talente kennenzulernen, die sie durchaus bei internationalen Auftritten in Berlin, Wien oder Verbier wiedersehen können. Schließlich handelt es sich um eine kleine Welt, wie der weltbekannte Auftrittskünstler András Schiff, der auch bei dem diesjährigen Festival auftrat, in einem Interview mit der deutschen FAZ nach dem Auftritt im letzten Jahr mitteilte. Der Meisterpianist beschreibt seine Freude mit vielen seiner alten Freunde aufzutreten, während er die talentierte, junge Generation erlebt und gemeinsam ein breitgefächertes Repertoire erkunden.
Maestro Barenboim selbst erwies sich angesichts seines grossartigen Netzwerkes internationaler Musiker bei Bemühungen als unbezahlbar; die Partnerschaft war eine Art Anstoß für Bashkirova: ”Dank ihm habe ich dies angefangen.” Bis jetzt ist Barenboim selbst nur zweimal auf dem Festival seiner Frau aufgetreten. “Er stellte sich zur Verfügung, wann immer er Zeit hatte,” sagt Bashkirova, deren Sohn Michael Barenboim, selbst ein vielversprechender Violinist, ist häufiger als Teilnehmer bei ihrem Festival anzutreffen. “Aber ich verlasse mich nicht auf Daniel, er ist die Kirsche auf der Torte.” Bashkirova gesteht einige kontroverse öffentliche Reaktionen vom rechten Flügel zu seinen Auftritten ein, die sie nicht zu beeindrucken scheinen. “Wir sind auf der gleichen Seite in dem, was richtig und was falsch ist! Er kritisiert israelische Politik oft heftig, aber nur aus Liebe zu diesem Land!”
Ihre eigenen, das Festival betreffenden Ambitionen beziehen sich (ziemlich auf gleicher Linie mit Barenboims eigenen Anstrengungen) darauf, Jerusalems internationalen kulturellen Status durch Musik einzufordern ohne sich jedoch auf die Tücken politischer Agendas einzulassen und auf die Ressentiments, die diese hervorrufen. Musik sollte ohne Grenzen sein. Gleichermaßen wichtig in der Mission der anerkannten russischen Pianistin, die sich bei vielen der Konzerten des Festivals selbst auch herausragend engagiert, ist die Integration des zeitgenössischen Repertoires in die etablierten Meisterstücke. “Seit wenigsten zehn Jahren geben wir unsere eigenen Werke von zeitgenössischen israelischen und internationalen Komponisten in Auftrag,” führt sie an. Die Programmgestaltung des Festivals folgt ihrem Rezept, ein breites Spektrum alter Meisterstücke und respektive neue Werke vom besonderen thematischen Fokus der Veranstaltung jeden Jahres durchdringen zu lassen. Das diesjährige Festival galt der Erkundung des ‘Quintetts‘. Die wesentlichen Meisterwerke von Mozart, Beethoven, Schubert, Dvořák, Schumann, Brahms, Franck und Shostakowitsch wie auch weniger bekannte aber gleichermaßen großartiger Quintett Kompositionen, wie solcher von Bartók, Elgar und Ligeti wurden von unterschiedlichen Formationen der beim Festival Auftretenden gespielt. Colors of Dust, ein neu geschriebenes Werk des israelischen Komponisten Ayal Adler erfuhr beim Festival seine israelische Premiere. Es war diesen April in Deutschland beim jüngeren Bruder des Festivals uraufgeführt worden, dem zweiten JCMF Berlin Festival und war von beiden Stiftungen zusammen in Auftrag gegeben worden.
“Musik muss im Programm zusammen in einen Rahmen gestellt werden, die Stücke stehen nicht für sich allein. Nur in der Paarung von jung und alt kann man das volle Ausmaß der einzelnen Werke begreifen. Es ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Programms eine Intensität zu schaffen, das von der benachbarten traditionellen und zeitgenössischen Kunst herkommt und oftmals ist das ein Test dafür, ob ein Stück in seiner eigenen Substanz, selbst besteht,” führt sie aus.
Bashkirova versucht, das Festival auszuweiten, indem sie zu verschiedenen Zeiten übers Jahr hindurch das Festival ins Ausland bringt und kleinere Ausschnitte des Programms international präsentiert. Zum zweiten Mal, war das Jüdische Museum in Berlin und sein großartiger Saal, vom vielgepriesenen Architekten Daniel Libeskind entworfen, Gastgeber einer Mini-Version des Jerusalemer Festivals. “Wir waren auch einige Male in New York, einschließlich zweier Wochenenden vor sechs Jahren in der Zankel Hall. Die letzten zwei Jahre gingen wir nach Paris in die Cité de la Musiqe oder zu den großen Festivals im Mozarteum in Salzburg und vielen anderen wunderbaren Orten.” Ein erster Versuch das Festival nach London zu bringen schlug wegen des Vorschlages des Konzertproduzenten fehl, “Jerusalem“ aus dem Namen des Festival herauszunehmen, um so antisemitische Reaktionen zu vermeiden, wie die notorischen Störungen, die während des Auftritts des IPO vor relativ kurzer Zeit stattfanden. Bashkirova lehnte, entsetzt über den Mangel an Courage seitens des Produzenten das Angebot ab. “Musiker zu boykottieren, die für einen Auftritt kommen, um aufzutreten, ist schlimme Sache; ich kann dem einfach nicht zustimmen, aber die Produzenten sollten nicht den Konflikt meiden, indem sie die angegriffenen Künstler verleugnen - das ist einfach feige,” platzt es aus ihr mit echter Bestürzung.
Sie ist leidenschaftlich, was ihre Aufgabe betrifft und erfolgreich, diese zu entfalten. Wonach Künstler suchen, ist eine bedeutungsvolle Umgebung, um durch ihre Musik kommunizieren zu können. Sie betrachtet zu diesem Zeitpunkt die offene Atmosphäre, die in Deutschland vorherrscht, als einen fruchtbaren Nährboden. Die Einwohnerin Berlins kommt zum Schluss, “es ist nicht von ungefähr. Viele Künstler kommen nach Berlin, viele von ihnen Israelis, da dort eine so gut prosperierende Haltung gegenüber der Kunst und der Künstlergemeinde anzutreffen ist.”
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