Die symphatische Pianistin spricht mit sanfter Stimme und denoch sehr lebendig in einer willkommenheißenden Weise; ihre Reputation ist mit einem erstaunlicherweise gewaltigen Aufgebot ausgezeichneter zeitgenössischer Komponisten verbunden, von denen einige bedeutende Werke Oppens gewidmet wurden. Wie nicht anders zu erwarten, ist Oppens zu einer der prägnantesten Förderer ihrer Werke geworden.
Bildnachweis: Ilona Oltuski – GetClassical Oppens wurde jüngst aus Anlass ihres siebzigjährigen Geburtstages von ihren über lange Zeit treugebliebenen Fans mit einem Konzert im ‘Symphony Space’ gefeiert. Die Show war ein Projekt, das aus der Zusammenarbeit mehrerer ihrer Studenten entstanden war: Winston Choi, Ran Dank, Soyean Kate Lee und Anthony Molinaro, die ihr Werk und ihr Vermächtnis ehren. Oppens pianistische Karriere war besonders von ihrer Zusammenarbeit mit dem legendären, amerikanischen Komponisten Elliot Carter beeinflusst worden, der für sie noch immer eine unglaubliche Quelle ihrer Inspiration ist.
“Eines Sommers kam ich nach Marlboro, nervös, jung und leicht zu beeindrucken. Ich hatte während meiner Zeit im College keinen formalen Musikunterricht gehabt, aber da war ich nun. Carter kam in diesem Sommer zu Besuch und sie entschlossen sich ganz spontan, in Marlboro ihm zu Ehren, etwas von seiner Musik zu spielen. Es gab wenig Zeit zur Vorbereitung und schließlich meldete ichmich als Freiwillige. Ich hatte zuvor diese Musik in Aspen gehört und ich hatte ihn auch über diese reden hören. Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal die Partitur durchlas und für das Konzert das erste Mal übte; ich hatte eine falsche Note gespielt und intuitiv deren Verkehrtheit gespürt. Es gab ein starkes Gefühl dafür, den Text und dessen Zusammenhang zu verstehen und so entdeckte ich eine sehr wichtige Beziehung,” erklärt Oppens.
Die Aufführung seiner Sonate für Flöte, Oboe, Cello und Cembalo, auf die sie sich vorbereitet hatte, war ein Erfolg. Als Oppens eine ähnliche Situation mit Carters Doppelkonzert bei Tanglewood erlebte, war es ihr klar, dass dies eine anhaltende Beziehung werden sollte: der Rest ist Geschichte,“ meint Oppens, als sie ihre Arbeit mit dem anspruchsvollen Komponisten beschreibt. Carters Meisterstück Night Fantasies war von Oppens mit in Auftrag gegeben und finanziert worden.
Foto Ursula Oppens mit Elliot Carter, A.Addey
“Ich schätze mich sehr glücklich, dass es eine Anzahl von wundervollen Stücken gibt, die für mich geschrieben worden sind,” sagt sie, während sie mir eine alte Mitgliedsausweiskarte für die ‘International Society for Contemporary Music’ zeigt, die einst ihrem Vater Kurt Oppens gehörte. “Die Gesellschaft gibt es auch heute noch und ich glaubte, ein Teil meines Interesses an zeitgenössischer Musik stammt einfach von meinen Eltern.” Oppens Eltern waren beide Teil der musikalischen Welt “und große modernistische Enthusiasten,” sagt sie. Sie, die am Radcliff College ihren Abschluss gemacht hat, verbrachte selbst viel ihrer Zeit bei der Gesellschaft. Radcliff hatte zu dieser Zeit nicht seinen eigenen Musikdarbietungs- oder Kompositionsfachbereich und es war bei der Gesellschaft, wo sie Beziehungen zu anderen Musikern anbahnte, von denen sie einige noch immer als ihre engen Freunde betrachtet. Erst nachdem sie die Julliard School besucht hatte und unter der bekannten Pädagogin Rosina Lhevinne studiert hatte, strebte Oppens aktiv eine Laufbahn als Pianistin an, was eine partielle Teilnahme am Zyklus der Wettbewerbe beinhaltete; sie wurde die erste Preisträgerin beim Busoni Wettbewerb und im Jahre 1976 eine Empfängerin des ‘Avery Fisher Career Grant’.
“Wenn man mit Musiker-Freunden zusammen ist, möchte man zusammen Musik machen,” und das ist, was sie an ihrer anhaltenden Beziehung mit dem hervorragenden Pianisten und Julliard Professoren Jerome Lowenthal schätzt: “wir spielen immer viel vierhändiges Repertoire zusammen und uns gehen nie die Themen aus.” Eines der Ergebnisse ihres intimen musikalischen Austausches ist auf ihrer jüngsten CD von Cellille Records eingefangen worden, das Visions d’Amen von Olivier Messiaen und Debussys ‘En blanc et noir’ gewidmet ist. Zuvor war Oppens mit dem inzwischen verstorbenen Komponisten und Advantgarde-Saxophonisten Julius Hemphill verheiratet gewesen, den sie im Jahre 1983 bei einer Tournee des ‘New York State Council of the Arts’ kennengelernt hatte.
Im Leben eines Musikers lässt das Eingehen einer Freundschaft mit anderen Musikern oft einen Weg zu einer Karriere entstehen. Einige der ersten Komponisten, die sie bei der internationalen Gesellschaft traf und auf Werke ansprach, die sie spielen konnte, waren Peter Lieberson und Tobias Picker. Nicht viel später erlaubte Oppens ein Stipendium vom YCA, das junge Pianisten unterstützte, einen neuen Auftrag der ‘Washington Performance Art Society’ in Form eines Werkes, das für sie von Frederic Rzewski geschrieben wurde, der nun in Brüssel wohnt (nur ein Telefonanruf weit entfernt wie Oppens sagt): “Ich hatte nicht ein einstündiges Stück erwartet und hatte auch keine Idee, was die Reaktion des Publikum sein würde – denn gemäß dem, was ich wusste, hätte das Stück ausgebuht werden können,” aber ‘The People United Will Never Be Defeated‘ wurde zu einem der Meilenstein-Werke, für die sie in ihrer lang anhaltenden und immer noch aktiven Karriere berühmt werden sollte.
“Ich war immer dazu bereit, Risiken einzugehen und ich war auf Werke neugierig, die ich nicht zuvor gehört hatte,” meint Oppens, die viele ihrer prägenden Sommer hinter den Kulissen beim Aspen Musikfestival verbrachte. Dieses Credo bleibt zentral für das, was sie ist, nämlich ein freier Geist. Oppens genießt es, bei Gelegenheiten zu spielen, die ihre humanistische und demokratische Weltanschauung demonstrieren. Ein fesselndes Erlebnis war es für sie am 37. Jahrestag von Portugals Nelkenrevolution in Lissabon im April 2011 zu spielen, der an den Sturz des autoritären Estado Novo Regimes erinnerte. Sie spielte die portugiesische Hymne als Teil ihrer Darbietung von Rzewskis ‘The People United Will Never Defeat,’ während der emotional aufgeladenen Feier zur nationalen Befreiung.
Im Jahre 1971 war Oppens Mitbegründerin von ‘Musicae’, einer neuen Kammermusikgruppe mit einigen ihrer engsten Freunde und Gefährten, einschließlich des Cellisten Fred Sherry, des Perkussionisten Richard Fritz und des Oboenspielers Joel Marangella. “Rolf Schulte und Virgil Black waren auch Mitglieder,” sagt Oppens, es handelte sich um eine so aufregende Zeit. Wie heute wurden viele Gruppen von Studenten gebildet, die nicht den Stempel der Zustimmung von konservativen Institutionen bedurften. Es gab viel Unterstützung und neue Veranstaltungsorte für Auftritte machten auf.”
“Einer der Hauptaspekte unserer besonderen Gruppe war Elliot Carter. Er hielt uns zusammen und ist auch der Grund dafür, dass wir immer noch so eng zusammen arbeiten,” sagt sie. “Wir liebten seine Musik, seine Leidenschaft verband uns und seine Liebenswürdigkeit uns gegenüber erhielt unsere Freundschaften intakt, selbst nachdem wir lange unsere eigenen Wege gegangen waren.”
Die ‘New York Times’ lobte ihren jüngsten Auftritt beim Konzert zu Ehren Carters im Jahre 2013, das das “fiebernde Verlangen und die poetische Träumerei“ von Carter’s Night Fantasies einfing, die für sie mit unfehlbaren dramatischen Sinn und fast filmischer Farbe geschrieben worden waren.”
Während Carter einen sehr besonderen Platz in Oppens Herz und ihrer Auftrittskarriere einnimmt, hat sie sich seit 1975 wie wild für eine Reihe unterschiedlicher Komponisten eingesetzt. Das bunte Kollektivgemisch liest sich wie eine enzyklopädische Liste eines zeitgenössischen Idioms und beinhaltet Komponisten so unterschiedlicher Art wie John Adams, Julius Hemphill, Frederic Rzewski, Conlon Nancarrow, John Corigliano, John Harbison, William Bolcom, Anthony Braxton, Tania Léon, Tobias Picker und Charles Wuorinen.
Sie hat sich auch bei Darbietungen der Werke von europäischen, modernistischen Meistern wie Luciano Berio, Gyorgy Ligeti und Witold Lutoslawski hervorgetan. Aber wie sie bescheiden sagt: “Ich kann aber nur so und soviel neue Musik lernen, vor jedem Konzert, jeder Aufnahme, denke ich nur an die nächste Note.” Neben ihren Aufnahmen und Konzerten von vielen der Werke ihrer Zeitgenossen, mag sie ebenso traditionelles, klassisches Repertoire, welches sie auch täglich übt.
“Ich empfinde die Notwendigkeit sowohl tonale als auch atonale Musik zu spielen und zu üben. Man muss offen bleiben und die Notenschrift so lesen, als hätte man sie noch nie gehört, was auch sehr wichtig ist, wenn man ältere Musik darbietet. Aber es ist neue Musik, bei der mir die Übertragung der Notenschrift in den Klang ans Herz gewachsen ist.” Sie bietet Studenten folgenden Ratschlag: Man kann nicht das Hören eines Musikstückes, das man auf einer Aufnahme zugehört hat, vergessen machen und deshalb schlage ich vor, mehr als nur eine zu hören, um die Bandbreite von Interpretationsmöglichkeiten zu sehen. Es geht dabei sehr um das menschliche Moment, die Überraschung des Ergebnisses und die Vieldeutigkeit des Übergangs.”
Eines von Oppens interessanten Projekten, was vor einiger Zeit begann, ist die Zusammenarbeit mit dem Pianisten Bruce Brubaker in einer Zusammenstellung der Werke von Meredith Monk für Solo Piano oder Piano Duett mit dem Titel Piano Songs; die CD wird vom ECM Label im Mai 2014 herausgegeben werden. Das wird mit dem Kompositionsgastspiel von Meredith Monk an der ‘Carnegie Hall’ während der Saison 2014/15 zusammenfallen. “Bruce und ich kennen uns von Julliard und er hat vieles von einigen der Werke derselben Komponisten gespielt, was ich auch gemacht hatte, aber wir sind nie zusammen aufgetreten, bis wir von Merediths Musik zusammengebracht wurden, als wir im Jahre 2005 in der ‘Zankel Hall’ bei einem Konzert zur Feier des Komponisten spielten. Viel Energie, die diese Aufnahme möglich machte, kam von Bruce; wir fügten weitere Stücke hinzu, bis wir eine komplette Aufnahme hatten. Wir gaben in Boston ein Konzert und nahmen dann in der exquisiten ‘Jorden Hall’ am ‘New England Conservatory, wo Bruce den Klavierfachbereich leitet,” erläutert sie.
Im November 2014 werden Brubaker und Oppens beim LePoisson Rouge ein Programm spielen, das aus Monks ‘Piano Songs’ schöpfen.
“Während der letzten wenigen Jahre, habe ich mehr Aufnahmen gemacht als erwartet,” meint Oppens, “es mag mit meinem Alter zu tun haben: Man denkt, dass man Stücke rekapitulieren muss, die man über eine lange Zeit hinweg gelernt hat und es gibt gewiss etwas, was dafür spricht, dass man Dinge zusammenfassen möchte.”
Demnächst bevorstehende Projekte für die 2014/15 Saison werden eine Bernard Rands CD in diesem Herbst, eine William Bolcom Aufnahme für Naxos und ein Wieder-Aufnahmeprojekt von ‘The People Reunited’ komplett mit einer improvisierten Kadenz von Oppens beinhalten.
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