Vivian Fung
“Wenn ich reise, finde ich die meiste Inspiration” meint die Komponistin Vivian Fung, deren Kommissionsarbeit für die ‘New York Chamber Society’ im Jahre 1995 unter dem Taktstock von George Schwarz aufgeführt wurde. Sie war zu der Zeit 19 Jahre alt. Ihre musikalischen Interessen sind von ihren ausgiebigen Reisen beinflusst und strahlen interkulturelle Befruchtung aus.
Fung spricht fließend Kantonesisch wie auch English und vereinigt in ihrer Persönlichkeit mühelos beide Welten, die ihrer asiatischen Herkunft und die der westlichen Einfüsse ihrer Ausbildung und Umgebung. “Mein familiärer Hintergrund ist Chinesisch, aber ich wuchs in Edmonton, Canada auf und meine Ausbildung ist durch und durch westlich,” erklärt mir Fung beim Lunch bei ‘Nick&Tony’, nahe dem Lincoln Center in New Yorks Upper West Side. Die zart gebaute junge Komponistin studiert gerade die Speisekarte, als sie verkündet eine große “Feinschmeckerin” zu sein, und entscheidet sich für eine exotisch klingende Version eines Hamburgers. Sie ist bestimmend und sachlich und doch liebenswürdig und angenehm und trotzt Kategorisierungen. Was Musik angeht, ist ihre Sichtweise besonders eindeutig: ”Für mich gibt es keine Trennungslinie, die klasische von nicht-klassischer Musik abgrenzt.”
Nach dem Erhalt ihres Doktortitels im Fach Komposition bei Julliard im Jahre 2002 begann die energische junge Musikerin im Rahmen des Literatur- und Musik Fachbereiches von Julliard mit dem Unterrichten von Musiktheorie. Eine inspirierende Reise nach Bali im Sommer 2004 hatte einige Erkundungen südostasiatischer Gamelan Musik zur Folge und brachte sie dazu, die innovative ‘World Music Series,’ bei Juilliard zu kuratieren. Dieses Projekt erlaubte ihr, einige der aufregenden und fremden künstlerischen Einflüsse in ihr eigenes, ‘anderes’ Leben an der Hochschule zu kanalisieren und Studenten mit verschiedenen kulturellen Elementen bekannt zu machen und so ihren musikalischen Horizont zu erweitern.
“Ich lud erstklassige Künstler ein, sprach über ihre Kultur und ihren Hintergrund und führte einfach die Studenten in die unterschiedlichen Einflüsse ein” erinnert sie sich mit ansteckender Begeisterung. Sie erklärt, wie es dazu gekommen ist: “Ich war gerade aus Bali zurückgekommen und hatte mit einer der führenden balinesischen Gamelan Gruppen namens Cudamani studiert, die zufällig in jenem Frühling 2005 in den USA auf Tour ging, und so lud ich sie dazu ein, bei Juilliard ein Vortragskonzert zu geben.” Es ist leicht zu sehen, wie Fungs innovatives Projekt eine enthusiastische Gefolgschaft unter den Julliard Studenten hervorbrachte. Persönliche Interaktion ist existenziell wichtig für Fung: ”Da das Komponieren ein Prozess ist, der viel Zusammenarbeit beinhaltet, was von den Musikern und auch mir vollen Einsatz erfordert, ist es wichtig, dass es eine leidenschaftliche Einstellung gegenüber meiner Arbeit und meiner Musik gibt. Es hilft natürlich auch, eine persönliche Beziehung zu haben. Wenn die Auftretenden enthusiastisch sind, das Stück auswendig lernen und dem Auftritt die volle Aufmerksamkeit und Mühe schenken, ist das Ergebnis etwas, was größer als das Stück selbst ist.” Natürlich spielen persönliche Faktoren immer eine Rolle; das gilt umso mehr für vielversprechende und der Zusammenarbeit gegenüber aufgeschlossene Kreise der neuen “Musikszenen” mit der sich oft überschneidenen Interaktion von Auftrittskünstlern, Komponisten Dirigenten und Lehrern. Zumeist in Amerikas Ballungsräumen zuhause, scheinen diese Gruppen von Musikern immer öfter auch eine Basis in ihrer eigenen Hörerschaft zu haben. Erstaunlicherweise besteht ein anhaltender künstlerischer Individualismus, selbst in den Bemühungen um Zusammenarbeit weiter fort. Es scheint, als hätte es nie irgendwo eine aufregendere Ansammlung von gemischten, höchst originellen und kreativen Stimmen gegeben.
Fung ruft aus: “Meine Arbeit als Komponistin ist so persönlich; ich bin immer für Einflüse offen, die meine Entscheidungen beeinflussen. Natürlich wird die asiatische Unterströmung immer da sein, das wird immer ein Teil dessen sein, wer ich bin. Aber letztlich geht es um die eigene persönliche Reise. Natürlich ist mir klar, wer meine Kollegen und Freunde sind, und wir haben eine Community. Mir macht auch die Interaktion mit dem Publikum Spass, indem ich über mein Stück spreche und so eine Verbindung [zum Publikum] erfahre. Mir ist es wichtig, dass das Publikum breit gefächert ist. Ich glaube nicht an Elitismus. Ich bin sehr in das Chicago Fulcrum Point New Music Project eingebunden, ein Kammerensemble, das im Jahre 1998 von dem renommierten Musiker, Dirigenten und Musikpädagogen Stephen Burns gegründet wurde. Sie werden an 22. März 11 die Weltpremiere meiner “Yunnan Folk Songs” als Teil ihres Konzerts “Speaking in Tongues” aufführen. Im Raum Chicago war Fung auch im Jahre 2005/6 Gastkomponistin für die Music in the loft series.
Getreu Fungs akademischem Interesse sind die “Yunnan Folk Songs” ein Projekt, welches auf der ausgedehnten Forschung von Professor Zhang Xingrong vom Yunnan Art Institute, China beruht. Seit den frühen achtziger Jahren hat er eine immense ethno-musikwissenschaftliche Sammlung von Volksliedern angelegt und so das kulturelle Gebäude von 25 nationalen Minderheiten im Südwesten Chinas durch die Aufnahme und Übermittlung ihrer spezifischen Sprachen und musikalischen Leistungen bewahrt.
Fung meint: “Ich kann zwischen vielen Sachen vermitteln, kann eine Beobachterin verschiedener Traditionen sein, ohne mich an eine bestimmte Art und Weise halten zu müssen. Welche Einstellung man zur Welt und anderen Menschen hat, rührt aus der eigenen Vorstellungskraft in einem selbst. Das gleiche gilt für musikalische Komposition. Mein musikalischer Bezug auf gewisse kulturelle Einflüsse ist immer gekennzeichnet und gefiltert von meiner Inspiration, die gewissen Aspekten dieser Einflüsse entspringt.”
Inspiration Bali
Mit dem Yunnan Volkslieder – Zyklus zum Beispiel verspürte Fung einen unmittelbaren Drang, den emotionalen Einfluss von rohen, erdverbundenen Stimmen zu erkundschaften, die eine ungehemmte emotionale Qualität ausdrücken und mittels intensiver kontrapunktischen Texturen geliefert werden. Dieser siebzehn-minütige Zyklus von sieben Liedern für Mezzosopran, Bariton und Kammerensemble ist eine noch in Bearbeitung befindliche künstlerische Erkundung, der sie gern weiter nachgehen und vielleicht irgendwann zu einem Opernwerk entwickeln möchte.
Um genug Zeit für ihren Aufstieg als Komponistin zu finden, entschied sich Fung dazu, den Lehrauftrag bei Julliard aufzugeben. “Ein Sprung ins Ungewisse”, wie sie zugibt.
“Das Unterrichten hat mir auch sehr gut gefallen, aber es war mir nicht möglich, mich so zu entfalten, wie ich ich es angesichts der wenigen Zeit, die ich hatte, gern getan hätte,” sagt die verheiratete Fung, die auch die Frage der Familiengründung unter Berücksichtigung von Fragen der Zeit zu bedenken hat.
In der Zwischenzeit genießt sie das sehr persönliche Engagement für die Künstler, für die sie ihre Werke schafft: “Meine Beziehung mit Auftrittskünstlern wird immer wichtiger, hinsichtlich der Art und Weise wie ich einen neuen Auftrag gestalte, wie auch in Hinsicht auf die potentielle Langlebigkeit meiner Arbeit.”
Fung erzählt von ihrer Freundschaft mit der Pianistin Jenny Lin, einer wohlbekannten jungen Auftrittskünstlerin, die für ihr ausgezeichnetes musikalisches Können sowohl im klassischem Repertoire als auch als Pianistin im Bereich der neuen Musik bekannt ist: “Im Jahre 2005 sprach mich Jenny mit der Bitte an, ein neues Werk am präpariertem Klavier für sie zu schreiben und daraus wurde Glimpses, das von ihr beim ISCM Miami Festival im Jahre 2006 uraufgeführt wurde.
Dieses Werk wurde mehrmalig von Jenny aufgeführt und ist seitdem von Pianisten wie Margaret Leng Tan, Vicky Chow und Bryan Wagorn, aufgegriffen worden, die es beim America Society Festival am 26. April 2011 in New York aufführen werden und damit die Komponistin als das feiern, was sie ist: als aufsteigenden Stern kanadischer Musik. Teil dieser Feier wird auch das kanadische ‘Afiara String Quartet’ sein, momentan an der Juilliard School in New York als Gast Graduierten-Streichquartett ansässig, wo sie dem Juilliard String Quartet als Lehrkräfte assistieren.
“Ich denke, dass es unserer Sorgfalt zu verdanken war, die Jenny und ich aufbrachten, um die richtige Darstellungsart und Nuancen zu finden, das Werk in die Konzertsäle zu bringen,” meint Fung.
“Schon damals erkannte Jenny in ‘Kotekan’, der ersten Partitur von ‘Glimpse’ das Potential für ein grösseres, komplexeres Werk, das darauf aufgebaut werden könnte. Diese Idee führte zu meinem Klavierkonzert ‘Dreamscapes’ für Jenny, das von Andrew Cyr für das Metropolis Ensemble in Auftrag gegeben worden war und im November 2009 im LePoisson Rouge uraufgeführt wurde. Also…hört man dem Piano Concerto zu, gibt es nach ungefähr vier minütiger Spieldauer eine Referenz zu ‘Kotekan’ und das Material wird sehr ausgeweitet.”
Gamelan performance
Die Violinistin Kristin Lee besuchte Fungs Klasse bei Juilliard und war von Anfang an fasziniert. Eine gegenseitige Zusammenarbeit mit der Violinistin, die Fung als gleichzeitig mutig, virtuos und lyrisch beschreibt, begann als Fung zu einem ihrer Auftritte eingeladen wurde. “Ich habe Andrew [Cyr] eingeladen mit mir zu kommen and wir waren beide von ihrem Auftritt wie weggeblasen. Andrew lud Kristin ein, beim Metropolis Ensemble mitzumachen, wo sie auch im Jahre 2009 Konzertmeister für die Aufführung meines Klavierkonzertes wurde. Sie mochte es, genug um mir eine E-mail nach dem Konzert zu schicken und mich zu bitten, für sie ein Violinkonzert zu schreiben …Die Beziehung, die ich zu Kristin pflegte, resultierte auch darin, dass sie mich im letzten Sommer 2010 nach Bali begleitete, während ich mit Gamelan Dharmaswana – hier in New York zu Gast beim Indonesischen Konsulat – auf Tour war…die Reise ließ unsere musikalische Freundschaft noch tiefer werden…Die ‘Cadenza’ war ein Gemeinschaftsprojekt, es wird eine ‘tour de force’ sein,” sagt Fung, als sie mich zu einer Vorschau der genannten Cadenza beim eröffnenden Wohltätigkeitsauftritt mit dem Metropolis Ensemble am 8. März 2011 im Riverpark einlädt. Die Uraufführung des Violinenkonzerts in seiner Gesamtheit ist für irgendwann im Herbst 2011 geplant.
“Ich bin ebenfalls ein aktives Mitglied der Community, pflege durch Workshops und Outreach-Programme weitere Beziehungen mit aufstrebenden Komponisten und Interpreten. In meiner Rolle als Musikstipendiatin bei der New York Foundation for the Arts im Jahre 2010-11 war ich als Mentor an ihrem ‘Immigrant Artist Mentorship’ Programm beteiligt, wo ich meine künstlerischen Erfahrungen und Ressourcen austausche, um einer jungen Komponistin zu Beginn ihrer Karriere dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen.”
Und, in der Tat, hat sie bereits viele wertvolle Resourcen und Erfahrungen weiterzugeben.
Fungs nächster wichtiger Termin ist die kanadische Premiere von ihrem ‘String Quartet No 2’, die in Edmonton, ihrer kanadischen Heimatstadt, stattfindet.
Von der ‘Edmonton Chamber Society’ präsentiert, die am 5. März 2011 das ‘Shanghai String Quartet’ vorstellt, war das Werk eine Auftragsarbeit vom ‘Shanghai String Quartet’ zur Feier ihrer 25. Auftrittssaison im Jahre 2009. Ein anderes Stück für Streichquartett namens Pizzicato, das bereits 2001 komponiert worden war und mit dem ‘Ying Quartet’ aufgenommen und im Jahre 2008 von Tearc herausgegeben wurde, wird vom ‘Escher Quartet’ als Teil ihrers Chamber Society of Lincoln Center’s Opening Night, Fireworks – Konzert am 26. September 2011 in der Alice Tully Hall präsentiert.
Erwarten Sie nichts Geringeres als ein Feuerwerk.
Für weitere Informationen zur Komponistin Vivian Fung,sehenSie ihre Webseite: http://www.vivianfung.net/web/home.asp
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